Station 03 - Interview mit Zeitzeugen beim Kriegerdenkmal

Ebenfalls am unteren Kirchenplatz beim Kriegerdenkmal findet man die Tafel mit Ausschnitten aus Interviews mit Zeitzeugen aus dem 2. Weltkrieg. Sie sollen einen kurzen Einblick in das frühere Leben und Denken der Menschen geben.


Zeitzeugenberichte

Alle angeführten Zeitzeugen wurden zu folgenden Themen befragt:

  1. Einmarsch der deutschen Truppen
  2. Ausbruch des Zweiten Weltkrieges
  3. Kriegserlebnisse
  4. Die Rolle der Frau während der Abwesenheit der Männer
  5. Fliegeralarme in Sierning 
  6. Der Durchtrieb der Juden durch Sierning 
  7. Der Einmarsch der Amerikaner 
  8. Die Besetzung durch die Amerikaner und die Nachkriegszeit 
  9. Wirtschaftslage in Sierning


Zu Punkt 1 kann zusammenfassend gesagt werden, dass die ZeitzeugInnen den Einmarsch zwar teilweise selbst miterlebt hatten, aber die Tragweite der Ereignisse als Kinder oder Jugendliche noch nicht richtig einordnen konnten. Die Meinung der erwachsenen Familienangehörigen oder Bekannten zum Anschluss war laut ZeitzeugInnen eher ablehnend oder zumindest verhalten. Mehrmals wird erwähnt, dass die Gegnerschaft der Nationalsozialisten zur katholischen Kirche Unsicherheit hervorrief, auch die Furcht vor einem bevorstehenden Krieg wird angeführt. Scheinbar bildete sich eine schweigende Mehrheit, die aus Angst vor möglichen Folgen, den Anschluss hinnahm. Freilich gab es auch Bevölkerungsgruppen, die von der neuen Situation profitierten, weil Arbeitsplätze geschaffen wurden. Zum Beispiel wurde die alte Lettner Fabrik wiedereröffnet.


Zu Punkt 2 ist anzuführen, dass der Kriegsausbruch selbst für den Großteil der Bevölkerung eher beiläufig passierte, weil die Bewältigung des Alltages es gar nicht erlaubte, sich zu viele Gedanken darüber zu machen. Der verpflichtende Beitritt zu den Jugendorganisationen wie HJ wird als eine unmittelbare Folge des Kriegsbeginnes erwähnt. Erst als Verwandte oder Bekannte durch Kriegsdienst oder Verlust von Angehörigen und Freunden direkt von den Kriegsgeschehnissen betroffen waren, konnten viele Bürgerinnen von Sierning richtig erahnen, was der Krieg wirklich bedeutet.


Was meinen Sie:
Herr Huber berichtet, dass Bauern illegal ihre Güter in Räumen aufbewahrten, die sie mit Schränken versperrten, so dass es aussah, als wäre kein weiterer Raum vorhanden. So wollten sie die Kontrollen der Getreideabgaben umgehen. Welche Methode entwickelten Kontrolleure, um diesem „Umtrieb“ vorzubeugen?


Punkt 3 – Kriegserlebnisse: Die Kriegserlebnisse sind vielfältig. Sie reichen von Untauglichkeit und der damit verbundenen Nichteinberufung über die Kriegsausbildung und den Dienst an der russischen Front bis zur abenteuerlichen Heimkehr nach Kriegsende. Auf jeden Fall waren alle ZeitzeugInnen mehr oder weniger persönlich von den Ereignissen betroffen. 


Einige konkrete Passagen:

Herr Ostermann berichtet, dass er vom 28. September bis zum 19. Oktober im Segelfluglager in Micheldorf einberufen war. Während dieser Zeit musste er aber allerdings keine Kriegshandlungen ausführen, sondern einen Theoriekurs besuchen, in welchem er von Fliegern lernte.

Von seinem Kriegsdienst kehrte Herr Molterer am 10. Mai 1945 zurück. Seinen Erzählungen zufolge waren viele italienische Kriegsgefangene bei ihm zuhause einquartiert, um bei Arbeiten, die täglich am Bauernhof anfielen, mitzuhelfen. Aber dadurch, dass er die Reaktion der Kriegsgefangenen nicht abschätzen konnte, verblieb er die Nacht über noch im Wald, welcher in der Nähe des Hauses war.

Der jüngere Bruder von Herrn Huber war als Funker tätig, bekam einen Bauchschuss ab und wurde dann auf die Krankenstation gebracht. Kurz darauf fielen aber die feindlichen russischen Soldaten ein und der verwundete Bruder starb.

Als Herr Walchshofer von der Musterung mit der Eisenbahn zurückfuhr, wurde diese von feindlichen Tieffliegern angegriffen. Die Tiefflieger bombardierten den Zug, deshalb begann dieser sofort zu brennen. Er konnte sich noch rechtzeitig aus dem Waggon retten. Nachdem er abgesprungen war, versteckte er sich in einem Erdloch, so dass er nicht mehr abgeschossen werden konnte.


Was meinen Sie:
Herr Molterer berichtet auch von einer Sierningerin, die sich mit einem russischen Arbeiter eingelassen hatte. Was passierte mit ihr?    


Zu Punkt 4 berichteten die Befragten ziemlich einhellig, dass Frauen während des Krieges sehr oft die Rolle der Männer als Betriebsführerinnen einnahmen und auch schwere Arbeiten verrichten mussten.

Bäuerin mit KuhgespannBäuerin mit einem Kuhgespann bei der Feldarbeit

Allerdings wurden ihnen während des Krieges häufig Gefangene aus besetzten Ländern als Hilfskräfte zur Seite gestellt.    


Kriegsgefangene bei der RübenarbeitKriegsgefangene bei der Rübenarbeit
Foto: Großtessner

Punkt 5 Fliegeralarme in Sierning:
Wegen der Nähe zur Industriestadt Steyr gab es in Sierning häufig Fliegeralarm und viele Flugabwehrstellungen waren in direkter Umgebung der Zeitzeuginnen positioniert. Allerdings war Sierning selbst kaum von Bombenschäden betroffen und die damaligen Jugendlichen sahen Fliegerangriffe eher als Abenteuer. 


Amerikanischer Pilot wird zum Verhör geführt, 1944Foto: Danner


Konkret berichtet Herr Walchshofer:
Als der erste große Angriff auf die Stadt erfolgte, besuchte ich das Bundesgymnasium in Steyr. Ich war gerade in der Schule, sah aus dem Fenster und bemerkte, dass es große Unruhe gab: Alle Leute hetzten aufgeregt herum und die Feuerwehr war auch ausgerückt. Als der Ernst der Lage klar wurde, blieb keine Zeit mehr, in den Luftschutzbunker zu fliehen. Stattdessen mussten wir uns im Keller der Schule verschanzen. Während wir dort Schutz suchten, ging im Hof der Schule eine Bombe nieder. Durch den Luftdruck der Bombe riss es alle Fenster und Türen aus ihren Rahmen. Als der Wirbel vorbei war, blickte ich nach draußen und bemerkte, dass die Steyrer Werke lichterloh brannten und schwarzer Rauch über ganz Steyr stand. Danach beobachteten ich und meine Klassenkameraden, dass dutzende verbrannte Leichen in Lastwägen eingeladen und abtransportiert wurden. Diese verbrannten Leichen waren italienische Kriegsgefangene, welche in der Fabrik im Wehrgraben gearbeitet hatten. Dadurch, dass die Fabrik zugesperrt war, damit die Gefangenen nicht fliehen konnten, verbrannten sie bei lebendigem Leibe. 


Punkt 6 Durchtrieb der Juden durch Sierning:
Der Einzige der Befragten, der selbst Zeuge dieser Vorfälle wurde, ist Herr Ostermann.
Er berichtet Folgendes:
Ich war bei dieser Gräueltat hautnah dabei, denn einige Juden wurden in den sogenannten Gemeinde-Arrest eingesperrt und ich wohnte damals direkt darüber. Durch die engen Gitterstäbe schob ich Kartoffelscheibchen, da die Insassen des Arrests mich um etwas zu essen gebeten hatten. Unter anderem war auch meine Mutter sehr betroffen und weinte bei dem Anblick der abgemagerten Gefangenen, als diese durch Sierning getrieben wurden und wir es von der Wohnung aus beobachteten.


Zu Punkt 7 Der Einmarsch der Amerikaner:
Dazu sind alle ZeitzeugInnen der Meinung, dass der in Sierning friedliche Einmarsch positiv und die amerikanischen Soldaten als Befreier wahrgenommen wurden. Auf jeden Fall waren wohl alle froh, nicht den Russen in die Hände gefallen zu sein, denen ein sehr schlechter Ruf vorauseilte. Der nationalsozialistische Bürgermeister von Sierning vergiftete sich und seine ganze Familie, obwohl er laut Aussagen der Befragten eher human und konziliant gewesen sei.


Punkt 8 Die Besetzung durch die Amerikaner und die Nachkriegszeit:
In diesem Punkt herrscht Einigkeit darüber, dass die Besatzer sich zwar vielfach eben wie Besatzer verhielten, trotz der Not der Bevölkerung verschwenderisch und manchmal herablassend waren, sich aber vor allem Kindern und Jugendlichen gegenüber sehr zuvorkommend und großzügig zeigten.


Punkt 9 Wirtschaftslage in Sierning:
In Sierning gab es kaum Kriegsschäden, vorrangig, so gaben einige Befragte an, war man neben dem täglichen Überlebenskampf mit der Wiedererrichtung von Vereinsstrukturen beschäftigt. Die nichtbäuerliche Bevölkerung hatte teilweise mit großer Not zu kämpfen und tauschte alles, was zu Geld gemacht werden konnte, bei den Bauern ein. Der Schwarzmarkt blühte. 
Allerdings begann die wirtschaftliche Erholung recht schnell und die Modernisierung in vielen Bereichen nahm ein atemberaubendes Tempo auf.


Beantwortung der Fragen:
Sie zählten bei einer Hausbegehung die Fenster und verglichen anschließend die Zahl der äußeren mit der der inneren Fenster.
Sie wurde mit öffentlicher Demütigung bestraft, nackt an den Pranger gestellt, wo sie von „ganz Sierning“ bestaunt wurde.