Station 14 - Karl Gattermeyer Sierning Mundartdichter

KARL GATTERMEYER

Mundartdichter
1891 – 1975

Ein Leben in sehr bewegten politischen Zeiten 
mit der Begabung, alles, das ihn berührte, in Reimen wiederzugeben. 

KINDHEIT UND JUGEND:

Karl Gattermeyer

Karl Gattermeyer wurde am 31. Juli 1891 in Sierning Nr. 3 (heute: Hochstraße Nr. 6) geboren. Die Eltern - Ernst und Rosa, geborene Brunner - hatten dieses Haus erworben und darin ein Kaufgeschäft eröffnet. Die Großeltern väterlicherseits lebten in Buchers in Südböhmen, der Großvater war Glasarbeiter. Mutter Rosas Vater war Taglöhner in Sierning. Durch großen Arbeitseinsatz konnte das Geschäft gewinnbringend geführt werden und war somit Lebensgrundlage für eine Familie mit acht Kindern. Die Großmutter mütterlicherseits, schon lange Witwe - die Ahnl - Barbara Brunner, führte den Haushalt der Familie Gattermeyer und spielte eine wesentliche Rolle bei der Erziehung der Kinder. Die Mutter, gelernte Kleidermacherin, arbeitete als Änderungsschneiderin in der angeschlossenen Textilabteilung.

Karl Gattermeyer Jugend

Nach 4 Jahren Volksschule in Sierning besuchte Karl ab Herbst 1901 das Stiftsgymnasium Kremsmünster. In damals tiefreligiösen Familien herrschte die Meinung vor: „Das erste Kind gehört dem Herrgott.“ Im Jahre 1908 wechselte er an das Staatsgymnasium Spittelwiese in Linz, wo er 1911 maturierte. Im Herbst begann er mit den theologischen Studien in Linz. Doch bald plagten ihn Zweifel, ob er dem Priesterberufe gewachsen wäre. Mit Einverständnis des Bischofs zu Beginn des Jahres 1916 verließ er das Priesterseminar.

Karl Gattermeyer, Landsturmleutnant

Da der 1. Weltkrieg voll im Gange war, wurde er bei der Stellung sofort für tauglich erklärt und Ende Februar 1916 zum Infanterieregiment Nr. 14 – Hessenregiment - eingezogen. Die Ausbildung erfolgte in Linz und Steyr (Offizierschule). Im August 1916 ging er als Gefreiter nach Italien ins Feld, 1917 wurde er Fähnrich, und als Landsturmleutnant wurde er zu Kriegsende aus der Armee entlassen.


BERUFLICHER WERDEGANG UND FAMILIE:

Glücklich über die gesunde Heimkehr und traurig über den in Italien vermissten Bruder versuchte er nun sein Leben in der Nachkriegszeit selbständig zu bewältigen. Der Tod seiner Mutter und das Ableben seiner geliebten Ahnl (=Großmutter) im Jahre 1919 trafen ihn sicher sehr. Sein Ansuchen, als Gemeindesekretär in Sierning zu arbeiten, wurde abgelehnt. So half er bei der Sierninger Kaufmannsgenossenschaft und beim Aufbau der Lichtgenossenschaft aus. Gasthaus im Hamet
Schließlich bot ihm sein Taufpate und Onkel Karl Gattermair das Gasthaus im Hamet in Großmengersdorf, an der Alten Haller Straße gelegen, an, welches er auch kaufte. Ein Gasthaus ohne Wirtin war undenkbar, deshalb heiratete er am 4. Februar 1920 Katharina Kemethofer aus Bad Kreuzen. Kennengelernt hatte er sie auf Anraten seiner Schwester Ernestine, die Katharina vom gemeinsamen Besuch der Haushaltungsschule in Erlaa kannte. Trotz Lebensmittelknappheit und Geldmangel zur damaligen Zeit wurde es bald ein beliebtes sonntägliches Ausflugsziel für Menschen aus der engeren und weiteren Umgebung. Spannungen zwischen der bäuerlichen Bevölkerung und der Arbeiterschaft aus dem Raum Steyr waren auch zu lösen. Katholischer Volksverein
Auf Grund seiner Ausbildung und der größer gewordenen Familie (Franz 1920, Heinrich 1923, Margarethe 1924) suchte er nach einer anderen Beschäftigung, die fand er nach vielen Bewerbungen 1924 beim Katholischen Volksverein, Abteilung Gemeindereferat. Nun fehlte der „Wirt“. Für die Wirtin und dreifache Mutter war die Arbeit allein kaum zu bewältigen. Deshalb wurde das Gasthaus zuerst verpachtet und später verkauft.

Familie Gattermeyer

Im Oktober 1924 erfolgte der Umzug nach Linz, Makartstraße 9 (alter Pfarrhof), wo auch das 4. Kind Karl geboren wurde.1931 wurde Karl Gattermeyer erster Schriftführer des Bundes oberösterreichischer Mundartdichter.

Rieglerhaus

Im „Rieglerhaus“ in Bad Kreuzen, dem Elternhaus seiner Gattin, erholte er sich von einigen schweren Krankheiten.  Für seine Kinder war dieser Ort zeitlebens eine zweite Heimat.Die Ausschaltung des Parlaments, Arbeitslosigkeit, 12. Februar 1934, der Putsch der Nationalsozialisten und die Ermordung von Dr. Dollfuß machten ihn sehr betroffen. Es erfolgte ein Rückzug in die Familie, von dem seine vier Kinder durch die schulische Unterstützung des Vaters sehr profitierten. 

Haus Gattermeyer

Auf Grund der Größe der Familie wurde eine neue Wohnung gesucht. In der Schubertstraße 35 wurde für die Wohnbedürfnisse der Familie eine schöne, zentrale Unterkunft in der Linzer Innenstadt gefunden. Doch die Besitzer, ein kinderloses Ehepaar, hatten kein Verständnis für das Verhalten von aufwachsenden Kindern und Jugendlichen. Daher wurde im Herbst 1935 ein eigenes Heim nach Sanierung von Haus und Garten in der Reuchlinstraße Wirklichkeit.

Der Ständestaat in Österreich wurde immer mehr politisch und wirtschaftlich unter Druck gesetzt, einerseits durch den Verlust der Schutzmacht Italien - Italien kooperierte seit 1937 mit Deutschland - andererseits durch die Maßnahmen Deutschlands (z. B. die Tausendmarksperre schadete besonders dem österreichischen Fremdenverkehr, die Unterstützung der in Österreich verbotenen Nationalsozialisten und deren Sabotageakte von Bayern aus, Visapflicht für Österreicher, die ins Deutsche Reich reisen wollten, usw.).

SCHRECKLICHE ZEITEN:

Mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich am 12. März 1938 begann für die Familie Gattermeyer eine sehr entbehrungsreiche Zeit. Sofort nach Übernahme der Macht durch die Nationalsozialisten wurde Gattermeyers Arbeitsstätte in der Harrachstraße besetzt, sämtliche Akten beschlagnahmt, führende Köpfe verhaftet und eingesperrt. Ihm blieb dieses Schicksal zwar erspart, doch Entlassung und Arbeitslosigkeit trafen ihn und seine Familie bitter. Vom Verhalten mancher Mitarbeiter und Freunde, die sich nun offen als ehemalige Illegale deklarierten, war er schwer enttäuscht. Der Bund OÖ. Mundartdichter, dessen Schriftführer er war, wurde ebenfalls aufgelöst.

Die Suche nach Arbeit war schwer, da er politisch nicht zuverlässig war. Versuche, bei Banken oder Versicherungen Arbeit zu finden, scheiterten. Schlussendlich fand er Aufnahme bei der Diözese Linz. Durch die Einführung der Kirchensteuer seit dem Anschluss an Deutschland musste das Beitragswesen aufgebaut werden, und so war Gattermeyer bis 1945 im Linzer Bischofshof als Referent für Kirchensteuer tätig. Der Verdienst reichte nicht, um die Familie zu ernähren und die Schuldenraten für das Haus zu bezahlen, deshalb arbeitete er abends noch im Büro des Baumeisters Schantl in Urfahr. 

Nach Ausbruch des Krieges mussten die drei Söhne nach und nach einrücken. Zum Glück kamen alle drei nach Kriegsende zurück, wenn auch krank und schwer verwundet.
Die Nahrungsbeschaffung während des Krieges war für Menschen in der Stadt sehr schwierig. Um das Leben halbwegs zu sichern, wurden Verwandte, ganz gleich welchen Grades, auf dem Land aufgesucht. Der Begriff „Hamstern“ war dafür üblich. 

Beim letzten Bombenangriff auf Linz am 25. April 1945 wurde sein geliebtes „Hauserl im Grean“ total zerstört. Fürs erste fand die Familie Unterschlupf im Bischofshof, dann in verschiedenen Wohnungen der Siedlung, schließlich nach Kriegsende in der Seilerstätte 14 (Caritashaus) und später in der Langgasse 11/A. Mit Hilfe des Wiederaufbaufonds konnte das Haus in der Reuchlinstraße mit vielen Erschwernissen der Behörden wieder aufgebaut werden.

OPTIMISMUS, AUFBAU UND NÄCHSTENLIEBE:

Nach Kriegsende herrschte Not und Elend. Um diese einigermaßen lindern zu können, wurde auch in Oberösterreich die kirchliche Hilfsorganisation CARITAS geschaffen. Gattermeyer war als Aufbauhelfer eingebunden. Er war deren Verwaltungsdirektor bis zu seiner Pensionierung 1960. Sein Leben war ausgefüllt mit unablässiger Hilfe am Nächsten.

Gattermeyer, Stelzhamerbund

Besonders glücklich war er über den Schulabschluss seiner 4 Kinder
(Franz: Arzt; Heinrich: Musikprofessor und Komponist; Margarete: Kindergärtnerin; Karl: Lehrer).

Gleich nach dem Krieg wurde in seinem Haus unter der Leitung von Dr. Commenda beschlossen, den Bund oberösterreichischer Mundartdichter wieder zu errichten. Am 2. Mai 1946 war bereits die Generalversammlung. Der STELZHAMERBUND war gegründet. Gattermeyer war wie vor 1938 auch in diesem Verein wieder Schriftführer. Von 1955 bis 1962 war er dessen Obmann.

Er organisierte Heimatabende, Veranstaltungen in Schulen und auf dem Land. Mit diesen Aktivitäten sollte den Menschen der Wert der Mundart nahegebracht werden. 

Karl Gattermeyer starb am 13. Juli 1975. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Linzer St. Barbara Friedhof.

Karl Gattermeyer

WAS MEINEN SIE?

In welchen politischen Systemen (5) lebte Karl Gattermeyer im Laufe seines Lebens?



EHRUNGEN:

  • Stelzhamer-Plakette des Landes Oberösterreich  
  • Goldenes Ehrenzeichen für die Verdienste um die Mundart
  • Ehrenmitgliedschaft des Stelzhamerbundes
  • Hessenehrenzeichen in Gold des Hessen-Offiziersbundes


ERINNERUNG:

  • Gattermeyerweg in Linz Urfahr
  • Gattermeyerweg in Sierning
  • Gedenktafel an seinem Geburtshaus in der Sierninger Hochstraße


WERKE UND VERÖFFENTLICHUNGEN:

  • Gattermeyer, Karl: Frühlingskinder, Gedichte in oberösterreichischer Mundart, Kommissionsverlag Preßverein Linz, 1931.
  • Gattermeyer, Karl: Ernte, Gedichte in oberösterreichischer Mundart, Oberösterreichischer Landesverlag, 1957.
  • Gattermeyer, Karl: D`Weihnachtszeit, Verlag Denkmayr, 1997, Karl Gattermeier (jun.) Herausgeber unveröffentlichter und der Öffentlichkeit bereits bekannter Gedichte von Vater Karl Gattermeyer.
  • Hoamatgsang 1920, S. 45: kurzer Lebenslauf und drei Gedichte. 
  • Hoamatgsang 1930, erweiterter Lebenslauf und fünf Gedichte.
  • Steyrer Zeitung. Veröffentlichung seiner Erstlingswerke.


THEMENBEREICHE: 

  • Gedichte über seinen Geburtsort SIERNING und die Heimat
  • Viele Gedichte sind der Familie und der Liebe gewidmet
  • Zyklus über das Studentenleben in Kremsmünster
  • Naturbeobachtungen im Jahreskreis
  • Gedichtbändchen für seine Schulkollegen zu den 40-, 50- und 60-jährigen Maturajubiläen
  • Die heitere Seite des Soldatenlebens (zum Teil im Hessenmuseum aufbewahrt, welches im Linzer Schlossmuseum untergebracht ist.)
  • Politik und Zeitgeschehen


ILLUSTRATION:

Max Kislinger, (Kopie aus dem Buch „Frühlingskinder“ S. 7, S. 135). Stelzamerbund Nr. 111 S. 10: „ … Mit wahrhaft innigem Verständnis hat der zeichnerische Gestalter Max Kislinger ihnen (den Frühlingskindern) ein schmuckes und auch ein künstlerisch wertvolles Gewand gegeben. Zwischen den beiden Männern entwickelte sich bis zum Tode ein freundschaftliches und herzliches Verhältnis.“

Aus da Hoamat


VERTONUNGEN:

Vertonte GedichteKopie aus dem Band „Stelzhamerbund“ Nr. 111, Juli 1994, K. Gattermeyer, S. 20.


AUSGEWÄHLTE GEDICHTE: 

Karl Gattermeyer aus dem Buch „Ernte“

's Menschenlebn

á Buach
Das Menschenlebn is wia à Buach
Mit vielerloa Kápiteln,
Das Schicksal schreibt die Seitná voll,
Setzt unterschiadli Titeln.
Bald is die Gschicht wia d' Fruah so schen Bald wia die Nacht so schauri, Bald is das Buch zum Juchezn
Und bald zum Flen so trauri.
Die Hauptsach aber, wann die Gschicht
Am End sih recht guat ausgeht,
Und das is gwiß, wann überm Lebn
Am Einband In Gotts Nam" steht.


D' Nächstenliab 

Es wern viel hundert Sprachen gredt,
Versteht oft oans das ander net;'
Selm Menschen aus dem gleichn Stamm
Finden oftmechi gar net zsamm.
Doh oa Sprach gwiß á iads versteht,
Die Sprach, die oan' vom Herzn geht,
Wo d' Nächstenliab tiaf drinnát is!
Dö Sprah versteht á iads ganz gwiß!


Systemwechsl

Zerst ham má án Kaiser ghabt,
A Monárchie,
Und aftn á Republik,
À Demokrátie.
Aft ham má á Eicht regiert
Autoritär;
Aft ham má án Führer kriagt
Va Leonding her;
Und aft warn die „tausend" Jahr
Wieder vorbei,
Da ham má kriagt glei vier Herrn,
Da warn má frei!



BEANTWORTUNG DER FRAGE:

Karl Gattermeyer lebte im Laufe seines Lebens:

  • Im Habsburgerreich (1891-1918)
  • In der 1. Republik Österreichs (1918-1934)
  • Im österreichischen Ständestaat (1934-1938)
  • Im Deutschen Reich (1938 -1945)
  • In der 2. Republik des wiedererstandenen Österreichs (1945-1975)



LITERATURANGABEN:

  1. STELZHAMERBUND Nr. 111, Juli 1994: KARL GATTERMEYER 1891 -1975, ein Lebensbild; Verfasser Karl Gattermeier (jun.).
  2. Gattermeyer, Karl: Frühlingskinder, Gedichte in oö. Mundart, Kommissionsverlag Preßverein Linz, 1931.
  3. Gattermeyer, Karl: Ernte, Gedichte in oberösterreichischer Mundart, OÖ. Landesverlag Linz, 1957.